Der Purpurhimmel: Roman (German Edition) by Laila El Omari

Autor:Laila El Omari [Omari, Laila El]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426406144
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2014-09-27T16:00:00+00:00

* * *

Frank stand auf der King’s Bastion und sah hinunter auf die Bucht. Derzeit war ihm jeder Aufenthaltsort lieber als sein Zuhause. War Augusta daheim, herrschte meist eine unterkühlte, ja beinahe eisige Stimmung, die ihm das Nachausekommen verleidete. War sie nicht da, so ertrug er die Leere nicht. Er liebte seine Ehefrau, wusste ihr aber einfach nicht zu begegnen. Und so sehr er sich den Kopf zerbrach, er hatte nicht die geringste Ahnung, was er eigentlich falsch machte, warum sie an seiner Seite nicht glücklich war und es somit auch ihm verwehrte, glücklich zu sein. Vielleicht, so dachte er, konnte er sich in diesem Krieg auszeichnen und dadurch in ihrer Achtung steigen.

Er wandte sich um und sah zu den Willis’s Batteries. Bei der Erinnerung daran, wie konsterniert viele der Offiziere gewesen waren, als Mrs. Skinner den ersten und so bedeutsamen Schuss auf den Feind gefeuert hatte, musste er lächeln. Unwillkürlich hatte er sich vorstellen müssen, wie es wohl gewesen wäre, hätte Colonel Green sich an John gewandt anstatt an Lieutenant Skinner. Er wäre so stolz auf Olivia gewesen. Aber eine solche Gelegenheit würde es wohl nicht mehr geben. Zwei Tage nach dem bedeutsamen Ereignis war ein neuer Garnisonsbefehl erlassen worden, der es den Ehefrauen von Soldaten und Offizieren verbot, den Berg zu betreten. Offenbar wollte man dafür sorgen, dass es nicht wieder zu einem solchen »Zwischenfall« kam.

Er sah Stanley im Gespräch mit einigen seiner Kameraden. Vielleicht würde dieser Konflikt seinem Sohn die Möglichkeit bieten, sich militärisch zu beweisen. Es konnte einen jungen Mann doch schwerlich zufriedenstellen, sein Leben hier zu fristen. Für die jungen Offiziere war Gibraltar die schlimmste Garnison der Welt, mit wenig Gelegenheiten, sich zu amüsieren, und nahezu ohne die Möglichkeit, befördert zu werden. Gibraltar war drei Meilen lang und an keiner Stelle ebenerdig breiter als eine Dreiviertelmeile; die Stadt selbst war nur eine Meile lang und drei Straßen breit, und es konnte einem passieren, dass man derselben Person fünf- oder sechsmal am Tag über den Weg lief. Dies brachte mit sich, dass die jungen Offiziere ständig unter Beobachtung des Gouverneurs standen. Über Stanleys Lippen war jedoch nie die geringste Klage gekommen, vielmehr war er – obgleich immer schon von stillem Charakter – noch schweigsamer geworden. Frank fand das beunruhigend, es beschwor für ihn stets das Bild beginnenden Irrsinns herauf.

Während er die reglos in der kalten Herbstsonne liegenden Schiffe der spanischen Flotte betrachtete, fragte er sich erneut, wie viele Monate oder gar Jahre man wohl würde ausharren müssen. So lange hatte er mit sich gehadert, weil man ihn in diese Einöde abschob, und nun wartete ausgerechnet hier die Gelegenheit, auf die er scheinbar vergeblich gehofft hatte. Die verschlungenen Wege, die das Leben nahm, waren in der Tat unergründlich. Hatte er vor einem Jahr noch gedacht, hier sei seine Karriere beendet, so würde er später vielleicht mit Stolz sagen können: »Ich war in Gibraltar.«

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